Über das kleine Glück im pädagogischen Alltag und die weibliche Führungskraft

Im Gespräch mit Doreen Stolt, Geschäftsführerin der ASB Kinder- und Jugendhilfe und selbst Mama von drei Kindern.

Doreen, Du bist die Geschäftsführerin von drei Kitas, in denen sehr viele Erzieherinnen arbeiten. Wie ist das Verhältnis Erzieherinnen zu Erzieher?
Wir haben in den Kitas einen Hauptanteil von weiblichen Mitarbeiterinnen. In jeder der drei Einrichtungen können wir uns aber auch über männliche Unterstützung freuen.

Manchmal hört man noch die Aussage, dass ein männlicher Erzieher nicht alleine mit Kindern sein sollte. Sind das Themen, denen du aktuell noch begegnest?
Nein, das sind nur noch in Ausnahmesituationen Themen in unseren Einrichtungen. Für mich ist es egal, ob männliche, weibliche oder diverse Mitarbeiter diese wundervolle pädagogische Arbeit ausüben. Sollte es für Eltern ein Thema sein, laden wir uns dieses immer zu einem klärenden Gespräch ein. Gerade unsere muslimischen Eltern nehmen wir mit ihren Sorgen sehr ernst. Ich freue mich dann immer wieder, wenn alle Eltern ihre Kinder mit einem guten Gefühl zu uns bringen können.

Gibt es in deinem Beruf Stereotypen?
In dem Beruf von pädagogischen Fachkräften in unseren Kitas kann ich keine Stereotype feststellen. Ich denke eher, dass macht das Berufsbild bei uns so bunt und unterschiedlich.

Gibt es Vorurteile, denen du und dein Team entgegentreten müsst?
Zum Glück kann ich sagen, dass in unseren drei Einrichtungen wenige bis gar keine Vorurteile herrschen. Aus diesem Grund bin ich auch sehr froh, ein Teil der ASB Kitas sein zu dürfen. Wir arbeiten immer weiter daran, so offen und achtsam mit allen Menschen umzugehen.

Die Arbeit mit Kindern und ihren Familien bringt neben den Herausforderungen auch sehr viele schöne Erlebnisse und ein sinnorientiertes Arbeiten mit sich. Was ist für dich das kleine Glück im pädagogischen Alltag?
Da ich bereits schon seit 1992 in diesem Beruf arbeiten darf, sind meine Kinder, die ich betreut habe, nun bereits auch schon Eltern. Ich treffe ab und an meine ehemaligen Kinder und freue mich sehr darüber, dass sie sich heute noch an mich erinnern und mir immer wieder das Gefühl geben, dass die Zeit, in der ich sie betreut habe, eine wundervolle und lustige Zeit war. Im heutigen Zeitalter des Internets werde ich auch ab und an angeschrieben und es werden alte Geschichten erzählt. Ehemalige Kinder von uns sind auch bei uns in den Kitas nun als Mitarbeitende angestellt. Diese kleinen Momente zaubern mir ganz häufig ein Lächeln ins Gesicht.

Ist in deiner Position flexibles Arbeiten (sprich Home-Office) möglich oder wirst du immer gebraucht in deiner Position?
Ich arbeite nicht im Home-Office. Mir ist es sehr wichtig, so nah wie möglich an der Basis zu sein. Ich habe in allen drei Einrichtungen ein 3-er Leitungsteam. Ich möchte, dass meine Leitungen wissen, sie können mich immer kontaktieren. Mir ist es wichtig, dass sie sich auf ihre Chefin verlassen können. Ich bin davon überzeugt, dass meine Leitungen gut führen können, da sie wissen, dass ich hinter ihnen stehe und immer für sie greifbar bin.

Du bist heute eine erfahrene Führungskraft. Was hast du früher gemacht, was du heute anders machen würdest bzw. machst?
Wenn ich ganz ehrlich bin, würde ich nichts anders machen, da ich davon überzeugt bin, dass alles im Leben einen Sinn hat. Ein Defizit fällt mir ein, ich habe jahrelang sehr viel Sport getrieben. Diesen habe ich nun aus Zeitmangel aus den Augen verloren, vielleicht sollte ich den wiederaufleben lassen. Aber es ist ja nie zu spät, um Veränderungen anzustreben.

Hast du ein Netzwerk, wo du dich mit anderen Führungskräften austauschen kannst?
Ja, ich tausche mich sehr viel mit verschiedenen Geschäftsführenden aus, auch Bundesland übergreifend. Ich finde solchen Austausch immer sehr wichtig, da ich ja nicht immer das Rad neu erfinden muss und auch gerne mal andere Dinge ausprobiere.

Wie schätzt du deine Unterstützung für deine Mitarbeitende ein? Hilft „Frau-Sein“ beim Führen von Frauen?
Ich kann für mich nur sagen, ich führe meine Mitarbeitenden aus voller Leidenschaft. Auch denke ich, dass es dann egal ist, ob man männlich/ weiblich/ divers ist. Die Liebe zum Beruf muss da sein. Das merken auch die Mitarbeitenden.

Wieviel Privatsphäre darf man aus deiner Sicht als Führungskraft zulassen? Bis wohin darf eine persönliche Beziehung gehen?
Bis zu einem gewissen Punkt habe ich kein Problem Mitarbeitende in mein Privatleben schauen zu lassen, da ich finde, dass soetwas auch authentisch macht. Unsere Mitarbeitenden wissen fast alle, dass ich Mutter von drei Kindern bin, Volleyball liebe, gerne reise und sehr gerne mit meinen Freundinnen zusammen bin. Viele Mitarbeitende öffnen sich daher auch viel leichter und schneller. Man kann dann viel schneller agieren, als wenn ich „nur“ die Geschäftsführerin bin. Ich freue mich auch immer sehr, wenn ich von unserem Kolleg*innen zu Teamevents eingeladen werde.

Was bedeutet für dich eine wertschätzende und am Menschen orientierte Führungskultur? Wie setzt du es beispielsweise um?
Für mich ist das wichtigste, dass Menschen sich ernst genommen fühlen. Ich finde es wichtig, dass ich ihre Sorgen, Nöte, Probleme oder auch Glücksgefühle kennen darf. Bisher habe ich immer gute Erfahrung damit gemacht, sie zu mir zu einer Tasse Tee ins Büro einzuladen und über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen. Sicher gibt es auch mal Situationen, wo man sich trennen muss. Mir ist aber immer wichtig, dass man sich auch im Nachgang mit Wertschätzung und Achtung gegenübertreten kann.

Du bist Fan der Männervolleyballmannschaft BR Volleys und Mitglied im Fanclub 7. Mann. Warum hast du dir eine Sportart ausgesucht, in der Frauen nicht so präsent sind? Bist du auch Fan von einer Frauen-Sportmannschaft?
Bei der Frage muss ich schmunzeln. Mein Mann und meine zweite Tochter sind schon immer gerne zu den BR Volleys gegangen. Das bedeutete für mich, dass ich die Wochenenden dann alleine mit meinen zwei anderen Kindern verbracht habe. Also bin ich irgendwann mal mitgegangen und musste feststellen, dass diese jungen athletischen Sportler, einen wirklich guten Sport machten. Irgendwann kamen mein damals noch sehr kleiner Sohn und meine zweite Tochter auch mit in die Halle.
Heute kenne ich mittlerweile alle Regeln, Vereine, Spieler etc. Auch mein Sohn spielt mittlerweile sehr gut Volleyball und möchte gerne Profisportler werden. Eine weibliche Sportmannschaft, ja auch diese gibt es bei mir. Ich fiebere für die Damen des SC Potsdam mit. Wenn es mein Zeitfenster erlaubt, schaue ich mir die Damen auch sehr gerne beim Volleyball in ihrer Halle an. Und ja, auch ich habe hier eine Lieblingsspielerin.

Wie schaffst du deinen Ausgleich zwischen Führungskraft und Privatperson? Woher nimmst du deine Energie?
Das musste ich erst erlenen. Ich musste lernen, den PC auch mal auszulassen, musste lernen, dass Wochenende auch Wochenende bedeutet. Ich ertappe mich oft, dass es noch nicht ganz so klappt. Meine Energie nehme ich aus meinem guten privaten Umfeld. Ich darf mich glücklich schätzen, wundervolle Kinder zu haben, eine Mutter, die mir zuhört, einen Mann zu haben, der mich bei allem was ich mir beruflich in den Kopf setze, unterstützt und auch mit anpackt. Auch durch unser kleine Hündin Della hole ich mir Entspannung. Nicht zu Letzt habe ich die wundervollsten Freundinnen, die man sich vorstellen kann. Die nehmen mich so wie ich bin, manchmal lustig, in mich gekehrt, unternehmungslustig oder reisefreudig.

Hat deine Position als weibliche Führungskraf auch einen Einfluss auf deinen Erziehungsstil (gerade, wenn du selbst Mädchen hast)?
Für mich kann ich eindeutig „nein“ sagen. Meine große Tochter wird ja schon 27 Jahre alt. Als ich sie bekommen habe, war ich selber als Erzieherin tätig. Nach der Geburt meiner zweiten Tochter bin ich erst in die Führungsrolle gewechselt. Ich glaube einfach ich bin, wie ich bin.

Manchmal braucht es eine kleine Auszeit am Meer, um wieder neue Energie zu tanken. Foto: privat